Das ist ein harter Schlag für alle Körpersprache-Experten und wichtig für jeden Verhandler: Die Interpretierbarkeit…
Ist die Automatisierung einer Verhandlung zielführend?
Auch in der Welt der Verhandlungen hält die Automatisierung und Robotisierung Einzug, und gerade diese Woche wurde ich zu diesem Thema gefragt, was ich vom Einsatz dieser Methoden in Verhandlungen halte. Konkret ging es hier im um die Nutzung von BOTs zur automatisierten Verhandlungsführung.
Wie funktioniert automatisiertes Verhandeln?
Während in einer „normalen“ Verhandlung Menschen miteinander interagieren, wird im Falle einer automatisierten Verhandlung der Ablauf durch einen BOT gesteuert. Dem Begriff nach ist ein BOT Computerprogramm, das automatisiert Abläufe abarbeitet. Im Falle eines Verhandlungs-BOTs übernimmt und steuert das Programm die Verhandlung und interagiert mit dem Nutzer auf der Gegenseite:
Es werden Abklärungen über Optionen getroffen, Vorschläge und Gegenvorschläge gemacht und Vereinbarungen getroffen, ohne dass auf einer Seite eine menschliche Intervention notwendig wäre.
Die Interaktion findet über das Programm statt, und wer schon Erfahrungen mit einem automatisierten Help-Desk gemacht hat, kann sich einen solchen Chat-artigen Verlauf vorstellen.
Durch die Struktur der Kommunikation und Entscheidungsvarianten kann man diese Verhandlungsform als eine Art Hybrid einer üblichen Verhandlung und einer Auktion sehen.
Momentan gibt eine Reihe großer Einkaufsorganisationen, die mit dieser Methode bereits Erfahrungen gemacht haben bzw. diese aktiv einsetzen. Die Frage ist, wann und unter welchen Umständen das sinnvoll ist. Betrachten wir also die Punkte, die zu bedenken sind, und über Einsatzmöglichkeit und Erfolg entscheiden. Ich verbinde das gern mit meinen Empfehlungen in diesen Themen:
Spezifikation des Verhandlungsobjektes
Ähnlich einer Auktion ist eine automatisierte Verhandlung ohne klar Spezifikation des Verhandlungsobjektes kaum denkbar. Sollte es optionale Ausgestaltungsmöglichkeiten geben, so könnte dies ggf. noch über den Automatismus und der Steuerung übernommen werden. Das schafft aber erhebliche Komplexität, erfordert menschliche Bewertung oder erweiterte (künstliche) Intelligenz. Rückwirkungen auf das zu erwartende Ergebnis sind nahezu sicher.
Verbindlichkeit des Ergebnisses
Kann das Ergebnis der automatisierten Verhandlung im Nachgang noch geändert werden? Sind Nachverhandlungen möglich? Schwer vorstellbar, da sonst der Sinn der Methode ad absurdum geführt würde:
Das Ergebnis muss also für beide Seiten verbindlich sein. Gleichzeitig erlaubt die Struktur auch nur Verhandlungen mit einer Partei. Für Mehrparteien-Verhandlungen sind die Systeme derzeit nicht geeignet.
Steuerung der Automatisierung
Die inhaltliche Steuerung der Arbeitsweise des Programmes ist sicher DER Schlüsselfaktor für den Erfolg in einer BOT-gesteuerten Verhandlung. Die Handlungsschritte, die Reaktion auf Antworten und Interaktionen mit dem Gegenüber will im Detail geplant sein. Die theoretische Basis dafür liefert die Spieltheorie inklusive möglicher Entscheidungsbäume –matrizen. Nur mit der passenden Strategie, und der richtigen Antizipation der Reaktion des Gegenübers werden gute Verhandlungsergebnisse erzielbar sein. Bei entsprechender Optimierung der Strategie beispielsweise durch künstliche Intelligenz (KI), wird daher die automatisierte Interaktion inhaltlich beste Resultat auf rationaler Ebene bieten können.
Rolle von Emotion und Strategie
Die Funktion einer BOT-Steuerung der Verhandlungsführung führt zu einer rein transaktionalen Ausrichtung der Verhandlung. Die Beziehungsebene ist auf die technische Interaktion reduziert, der Fokus liegt auf Ergebnisoptimierung. Dies sollte kalkuliert sein. Gleichzeitig ist irrationales Verhalten der Gegenseite möglich, so könnte es im Extremfall Lieferanten geben, die sich wider Erwarten oder besserem Wissen weigern, mit einem Automatisierungstool zu arbeiten oder schlicht Fehler machen. Gleichzeitig gilt es zu bedenken, dass kreative Lösungen nicht in einem automatisierten Prozess gefunden werden können.
Fazit und Ausblick
Aus Sicht des Einkaufs sprechen zwei sehr gewichtige Argumente für den Einsatz von Automatisierungstool in Verhandlungsprozessen, sofern es das Verhandlungsobjekt zulässt:
- Die Zeitersparnis durch den Wegfall von Verhandlungsterminen bedeutet echtes Potenzial für die Effizienzsteigerung im Einkauf.
- Die Verhandlungsmacht des Einkaufsbereiches wird durch den Hebel Prozess maximiert, was inhaltlich ausgezeichnete Ergebnisse im Sinne der Spieltheorie verspricht.
Vorsicht beim Einsatz von BOTs ist geboten, wenn
– die strategische Steuerung der Interaktion noch nicht ausgereift ist,
– Es eine Vielzahl von Lösungswegen in den Verhandlungen geben kann, die ggf. noch nicht identifiziert wurden.
– die Beziehung zum Verhandlungspartner eine wichtige Rolle spielt, und emotionale oder kreative Komponenten im Verhandlungsprozess von Bedeutung sind, oder
– dem Beschaffungsvorgang für das Gesamtunternehmen oder mehrere Geschäftsbereichen Bedeutung hat, oder komplexe Wechselwirkungen zu bedenken sind.
Meine Empfehlung
Stand heute würde ich daher denen raten, sich mit der Automatisierung von Verhandlungsprozessen zu beschäftigen, die eine Vielzahl von Verhandlungsprozessen zu managen haben, um so die Effizienz und auch den Ergebnisbeitrag zu steigern. Ich würde dies allerdings nur für Standard-Produkte und Waren in Erwägung ziehen, die nicht geschäftskritisch sind, und die Beziehung zum Lieferanten nicht oder kaum von Bedeutung ist.
Die Beschäftigung mit dem Konzept ist allerdings in jedem Fall lohnenswert, und die Entwicklung von Know-How (gerade auch für das Thema der künstlichen Intelligenz) hilfreich.
Gerne höre ich mehr zu Ihren Erfahrungen in diesem Thema, entweder über Kommentare hier, die Kontaktfunktion meiner Website oder in sozialen Medien wie LinkedIn.
@Christoph Kuzinski, 2020