Das ist ein harter Schlag für alle Körpersprache-Experten und wichtig für jeden Verhandler: Die Interpretierbarkeit…
Berücksichtigen Sie Risiken in Verhandlungen?
Es ist lange her, Jahrzehnte sogar. In dem, was ich gerne „mein früheres Leben“ nenne, habe ich Optionen auf Finanzinstrumente wie zum Beispiel Aktien, Anleihen, Futures und Indizes gehandelt. Dabei war für mich selbstverständlich, dass Risiko einen Wert hat, für den Preis von Optionen einer der wichtigsten, preisbestimmenden Faktoren.
Das Risiko wird im Falle des Pricings der Option als Volatilität angegeben, nichts anderes als ein Ausdruck für die prognostizierte Schwankungsbreite des Marktpreises des unterliegenden Objekts. Bei börsengehandelten Werten gab die Historie dafür gute Anhaltspunkte. In jedem Fall galt: Risiken, die übernommen werden, müssen quantifiziert und behalt werden, und sei es nur implizit.
Wie wird Risiko außerhalb der Finanzwelt betrachtet?
Betrachten wir dazu Großprojekte in der Baubranche. Häufig wird hier ein Generalunternehmer (GU) eingesetzt, der sich dem Auftraggeber gegenüber für die alle Gewerke verpflichtet, egal ob er sie selbst ausführt oder ein anderer Lieferant / Dienstleister.
Vergleicht man Angebote von Generalunternehmern mit den Angebotssummen aller Einzelgewerke, so sind Aufpreise von 10-25% keine Seltenheit. Viele Auftraggeber, wie zum Beispiel die des BER, scheuen diese Mehrausgaben, da der Nutzen nur schwer vermittelbar ist. Er existiert aber ganz klar: Der Generalunternehmer übernimmt Verpflichtung und Risiken für die weiteren Unterlieferanten, Veränderungsrisiken und den oft nicht unerheblichen Koordinierungsaufwand, die sonst Sache des Auftraggebers sind.
Das Risiko ist in diesem exemplarischen Fall transparent, quantifizierbar und transferierbar.
Das Thema Risiko in geschäftlichen Verhandlungen
Häufigstes Verhandlungsthema im Geschäftsleben heute ist der Wert eines Produktes oder einer Dienstleistung in spezifiziertem Zeitraum und Umfang. Diesen auszuloten und zu Vereinbarungen zu kommen, ist die wohl häufigste Zielfunktion einer Verhandlung. Fragestellungen der Risiko-Übernahme und des Pricings werden aus meiner Beobachtung häufig nicht adäquat adressiert oder einfach implizit unterstellt.
Beispiele: Wenn ein Lieferant in der Bereitstellung seiner Produkte flexibel im Sinne von Quantität und Timing sein muss, sollte das seinen Preis haben.
Wenn Abnahmemenge fixiert sind, ändert sich die Lage ggf. inklusive eines Preisgefüges auf Seiten der Vorlieferanten oder Preisschwankungen der Märkte haben Einfluss.
Drei hilfreiche Fragen, die Sie sich immer wieder stellen sollten:
- Wo erwartet mein Gegenüber von mir, dass ich ein Risiko übernehme, etwas leiste oder Zusagen gebe, ohne dass ich dafür adäquat kompensiert werde?
2. Sind diese Risiken quantifizierbar, kann ich sie bewerten?
Hierbei gilt: Sind historische Bezugspunkte, Referenzen und Wahrscheinlichkeiten bestimmen, wird eine Bewertung möglich sein. Unter Unsicherheit, wie Sie bei einmaligen Ereignissen oder Neuerungen auftauchen, wir diese Übung extrem schwer. Trotzdem empfehle ich Ihnen auch für diesen Fall maximale Klarheit.
3. Wie möchte ich mit diesen Risiken und Unsicherheiten umgehen?
Behalten Sie diese Fragen im Hinterkopf, im Vorfeld von Verhandlungen und im Verlauf. Bedenken Sie, diese Verlagerung von Risiko und Unsicherheit nicht immer offensichtlich und transparent ist, was auch für das Pricing gilt.
Ich bin überzeugt, dass Sie diese Fragestellungen nicht nur in eine gute und konstruktive Fährte führen, sondern Ihnen helfen effektiv bessere Ergebnisse zu erzielen.
Und für den Fall, dass Sie theoretisch vertiefende Lektüre suchen, um eine größere Risiko-Kompetenz zu erwerben, empfehle ich Ihnen gerne diese zwei Bücher:
Von Nassim N. Taleb, der früher ebenfalls Optionshändler war:
Das Risiko und sein Preis – Skin in the Game
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Ausserdem den Klassiker eines deutschen Wissenschaftlers:
Von Gerd Gigerenzer:
Risiko – Wie man die richtigen Entscheidungen trifft
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© Christoph Kuzinski, 2020