Das ist ein harter Schlag für alle Körpersprache-Experten und wichtig für jeden Verhandler: Die Interpretierbarkeit…
Defensive Entscheidungen: Entscheidungen, die uns eine gute Ausrede bieten, wenn es schief läuft.
In meiner Praxis als Berater spreche ich regelmäßig mit Klienten und Interessenten darüber, wie denn Entscheidungen qualitativ verbessert werden können. Auch analysieren wir, wie sich Entscheidungen auf Ergebnisse niederschlagen. Immer wieder gilt es sich dabei vor Augen zu führen, was zu den kritischen Faktoren zählt. So zum Beispiel:
- Ungünstige Entscheidungs-Prozesse und -Kriterien
- Fehler aus Unwissenheit
- der ungünstige Einfluss unbewusster Denkfehler
- interne Politik, persönlichen Interessen und Einflussnahme
- Mängeln in der Umsetzung sowie
- defensive Entscheidungen, die ich hier kurz erörtern möchte.
Was sind defensive Entscheidungen?
Ich verstehe unter defensiven Entscheidungen, solche bei der sich der oder die Entscheider bewusst für die ZWEITbeste Option entscheiden, und damit verbundene Nachteile in Kauf nehmen. Es wird Geld verschenkt oder Potenziale werden nicht erschlossen.
Sie glauben das gibt es nicht? Dann lassen Sie uns zwei klassische Beispiele betrachten:
Ihre Firma sucht einen Berater, sagen wir für den Aufbau digitaler Vertriebskanäle. Sie als Bereichsleiter treffen die Beraterauswahl. Zwei Firmen stehen zur Diskussion: Ein kleines, inhabergeführtes Unternehmen mit wenigen Angestellten, die einige Umsetzungsaufgaben durch externen Spezialisten ausführen lässt. Der Inhaber kennt Ihre Branche und Produkte sehr gut, Sie haben bereits von ihm gehört, und er wird alle primären die Projektaufgaben übernehmen. Alternativ haben Sie ein Angebot einer großen, namhaften Beratungsfirma. Hier wird die Projektarbeit überwiegend von Junior Consultants übernommen, ein Senior Manager übernimmt die Projektleitung, und ein Partner wird gelegentlich „mal drüberschauen“. Das große Beratungsunternehmen ist deutlich teurer.
Wie entscheiden Sie?
Viele werden in der Tat das namhafte Großunternehmen vorziehen. Getreu dem Motto „damit macht man keinen Fehler“ ist das die sichere, aber kostspieligere Variante.
Das andere Beispiel erzählte mir kürzlich ein alter Bekannter aus dem realen Leben:
Ein Firma sucht den Nachfolger des CEO. Die Vorstandskollegen empfehlen dem Aufsichtsrat aus eigenem Antrieb einen Kandidaten, mit dem sie gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit gemacht haben, der die Branche in-und auswendig kennt, einen ausgezeichneten Ruf genießt und ein ebensolches Track-Record aufzuweisen hat. Warum wurde dieser Kandidat nicht als CEO bestellt? Es fehlte ihm in der langen Reihe der Anforderungen eine Station in einem Entwicklungsland in der Vita. Zwar war er bereits in verschiedenen asiatischen Ländern und den USA, allerdings nicht in einem klassischen Entwicklungsland. Offensichtlich war das das Ausschlusskriterium.
Hinterfragt man also warum der Aufsichtsrat so entschieden hat, so erkennt man das Motiv der Vorsicht oder Risikovermeidung. Für den Fall, dass der CEO nicht erfolgreich wäre, kann niemand den Vorwurf machen, er hätte nicht alle Kriterien erfüllt….
Die beiden Entscheidungen haben einen gemeinsamen Nenner. Eine weniger gute Lösung, die ggf. erhebliche höhere Kosten oder deutlich schlechteres Potenzial bietet, wird präferiert. Die Gründe sind einfach:
Sie ist im Nachhinein besser begründbar. Sollte sie sich als Fehler herausstellen, hat man gute Argumente oder Rechtfertigungen. Man hat sich an die Kriterien gehalten, alles richtig gemacht. Die dahinter liegende, defensive Strategie ist, Risiko und Fehler zu vermeiden.
Parallelen finden sich in vielen anderen Bereichen.
Was hilft defensive Entscheidungen zu vermeiden?
Entscheidungen zeichnen sich immer durch Risiko und Ungewissheit aus. Wer ein großes Maß an Klarheit über die Risiko- und Unsicherheitsstruktur einer Entscheidung hat, ist hier im Vorteil. Dabei hilft natürlich Risiko- und Entscheidungskompetenz, die alle Teile des Verstands mit einbezieht.
Es erfordert Mut, zur eigenen Analyse und Entscheidung zu stehen, und dafür die volle Verantwortung zu übernehmen, sich nicht hinter -ggf. vorgeplanten- Ausreden zu verstecken.
Ein solches Verhalten sollte durch die Unternehmenskultur gefördert werden. Tatsächlich werden die meisten defensiven Entscheidungen ja vor dem Hintergrund einer möglichen späteren Sanktionierung eines Fehlers getroffen. Die Angst vor negativen Folgen zu überwinden, kann nur in einer fehlertolerierenden, lernenden Kultur gut gelingen.
Ich wünsche Ihnen jedenfalls, dass Sie zu einer Vielzahl von mutigen Entscheidungen kommen. Ihr persönlicher Erfolg und der Ihrer Firma wird es Ihnen danken.
© Christoph Kuzinski, 2020